Wie Menschen im Betrieb miteinander umgehen und sich verständigen, gilt als wichtiger Gradmesser der Unternehmenskultur. Wird die Kommunikation vernachlässigt, brodelt die Gerüchteküche – der Flurfunk kommt wieder auf.
Menschentrauben an der Kaffeemaschine dürfen Unternehmen nicht kalt lassen. Steht der Betrieb etwa vor einem Kurswechsel, muss er Personal abbauen oder Standorte schließen, äußert sich verständlicher Unmut in den eigenen Reihen. Aus lauter Sorge, die bevorstehende Veränderung nicht bewältigen zu können oder gar auf die Abschussliste zu geraten, wird in der Belegschaft wild spekuliert. Zeit zu handeln.
In der Tat ist der Flurfunk ein sprudelnder Quell von Fake News, wie man heute trefflich sagen könnte. Was sich zwei Kollegen beim Morgenkaffee als allerneuesten Klatsch einflüstern, ist nach dem Stille-Post-Prinzip selten identisch mit dem, was am Ende vom Gerede übrig bleibt. Dennoch wäre es fahrlässig, das menschliche Bedürfnis zu tratschen von vornherein zu diskreditieren. Studien zufolge hebt der Flurfunk sogar die Produktivität, wenn Menschen Dampf ablassen und negative Gefühle abbauen können.
Ursachen für ein großes Kommunikationsdefizit
In welchem Umfang der informelle Nachrichtenkanal, übrigens der mit Abstand effektivste, mit mehr oder minder substanziellem Inhalt gefüttert wird, sagt viel über das Betriebsklima aus. Und hier hakt es offensichtlich in vielen Betrieben: Wie Befragungen eindrucksvoll zeigen, erfahren zwei Drittel der Mitarbeiter deutscher Unternehmen wichtige Neuigkeiten über den Flurfunk statt von ihren Vorgesetzten. Zwar wird viel geredet, aber unprofessionell kommuniziert. Als Führungsaufgabe wird Kommunikation sträflich vernachlässigt, lieber geht man sich aus dem Weg.
Anstatt in Kontakt zu treten und konstruktive Dialoge zu führen, herrscht bei der internen Verständigung erschreckende Frustration. Sich lediglich technischer Lösungen zu bedienen, wie bei der zunehmenden Digitalisierung zu beobachten, ist kein Ersatz für offene Kommunikation. Statt frühzeitig auf Informationsbedürfnisse einzugehen, notwendige Veränderungen zu erläutern und einfühlsam auf Vorbehalte und Ängste zu reagieren, entziehen sich Führungskräfte oder lassen sogar ihren Unmut an Mitarbeitern aus. Auf das Konto mangelhafter Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern entfällt Schätzungen zufolge nicht nur der Löwenanteil aller innerbetrieblichen Konflikte. Häufig sind sie auch für das Scheitern von Veränderungsprojekten verantwortlich.
Über den Wirkungszusammenhang zwischen Bindungs- und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten sowie Führung und Kultur legen unzählige Studien ein beeindruckendes Zeugnis ab. Müssen Unternehmen beispielsweise zum Rotstift greifen und mit reduziertem Personal mehr leisten, treten interessanterweise häufig Führungskräfte in Erscheinung, denen Eigenschaften wie Durchsetzungsstärke, Ergebnisorientierung oder auch eine geringe Kompromissbereitschaft zugeschrieben werden. Über kurz oder lang stellt sich jedoch heraus, dass Druck auf die Beschäftigten allein nicht zum gewünschten Ergebnis beiträgt, solange auf Verständigung verzichtet und der übergeordnete Zusammenhang, wie die Notwendigkeit einer Veränderung, nicht hinreichend kommuniziert wird.
Was eine Politik des Hörensagens anrichtet
Ein derartiges Führungsverständnis kann kulturell verankert sein, etwa durch eine starke Eignerpersönlichkeit an der Spitze, die sich nicht hereinreden lässt und Entscheidungen unter Verzicht auf eingehende Beratung im Führungskreise mehr oder minder einsam fällt. Schaut man genauer hin, mangelt es oft auch an Strukturen, die mehr Kommunikation eröffnen könnten, wie regelmäßige Mitarbeiter- und Teamgespräche oder Betriebsversammlungen. Es ist schlicht nicht üblich, miteinander zu reden: Doch das öffnet dem Flurfunk Tür und Tor.
Betriebswirtschaftlich ist eine Kultur der „Geheimniskrämerei“ fatal. Statt kommunikativ und motivierend, also im Sinne von transformationaler Führung auf Mitarbeiter einzuwirken und so deren Produktivität gravierend zu steigern, kommen Führungskräfte, die an der Verständigung mit ihren Mitarbeitern desinteressiert sind oder darin nachlässig agieren, ihren Unternehmen teuer zu stehen. Denn Rückfragen, unnötige Diskussionen oder unvollständige Ausführungen beeinträchtigen Unternehmensergebnisse in erheblichem Umfang. Ohne dass sich die Verantwortlichen dessen bewusst sind, steigen vermeidbare Kommunikationskosten in beträchtliche Höhe. Als wäre es nicht schon schlimm genug, drohen die verbliebenen Leistungsträger das Weite zu suchen.
Mitarbeiterbefragungen sind ein verlässliches Instrument, um solchen Fehlentwicklungen entschieden entgegenzuwirken. Zwar können sie nicht über Nacht Abhilfe schaffen, zumindest aber zu notwendiger Klarheit über den betrieblichen Status quo beitragen. Professionell aufgesetzt fördern sie zutage, wo kulturelle Kurskorrekturen dringend notwendig sind. Sie liefern präzise Hinweise, wie ein neues Führungskonzept aussehen müsste, um die notwendigen Impulse für mehr Leistungsbereitschaft und auch Bindungsbereitschaft zu geben. Dabei spielt Kommunikation eine zentrale Rolle: Treten Führungskräfte erst einmal in Dialog mit ihren Mitarbeitern, leisten sie damit einen elementaren Beitrag zur überfälligen Organisationsentwicklung – und graben so dem Flurfunk auch das Wasser ab.
Wie steht es um die informelle Kommunikation in Ihrem Unternehmen? Mit welchen Mitteln intervenieren Sie, wenn der Flurfunk sich über den üblichen Rahmen hinaus ausbreitet? Was tun Ihre Führungskräfte, um gar nicht erst Gefahr zu laufen, der Geheimniskrämerei bezichtigt zu werden? Welche Instrumente setzen Sie ein, um den Dialog zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern anzukurbeln? Wir würden uns über Ihr Feedback freuen.