Fortschritt hängt nicht allein von technischer Innovation ab, sondern auch von Qualität und Innovation im Management. Peter Drucker hat hierzu wichtige Anstöße gegeben. Noch steckt Führung jedoch in alten Denkmodellen fest.

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert. Der legendäre Wahlspruch der Achtundsechziger dient offensichtlich auch der Wirtschaft als Leitmotiv. Während jedoch die außerparlamentarische Bewegung mit ihrer Provokation politische Ziele verknüpfte, geht es vielen Führungskräften weder um Anschauung noch um eine Mission.

Tatsächlich herrscht in vielen Unternehmen eine Atmosphäre, die eisiger kaum sein könnte. Wenn lauter Alphatiere sich im Konkurrenzkampf um die nächste Beförderung und Gehaltssteigerung einander belauern, wächst weder Vertrauen noch Zuversicht. Wo auf ihren persönlichen Vorteil bedachte Entscheidungsträger als „role model“ dienen, suchen auch Weisungsempfänger nach angemessenen Strategien, um sich im Hauen und Stechen zu behaupten. Augen zu und durch – so lautet oft die einzig verbliebene Devise. Sieht so ein innovationsförderndes Klima aus?

Auf der Suche nach Inspiration

Kein Zweifel – vom Verhalten der tonangebenden und stilbildenden Akteure lässt sich viel Wissenswertes über den Zustand und die Leistungsfähigkeit einer Organisation ableiten. Man kann nun an Symptomen herumdoktern: Führungskräfte, die Mitarbeiter schikanieren, werden beispielsweise zu einem Coaching geschickt. Anderswo wird abermals an der Effizienzschraube gedreht. Irgendetwas muss doch zur Revitalisierung des Betriebs beitragen, fragen sich die Entscheidungsträger, deren herkömmliches Instrumentarium spürbar an Wirkung einbüßt. Keine Alternative in Sicht?

Und ob. Sie lautet „culture eats strategy for breakfast“. Mit seinem Aufruf zu einer prinzipiellen Abkehr vom klassischen Führungsverständnis hat Peter Drucker heftig an den Grundfesten der wissenschaftlichen Unternehmensführung gerüttelt. Organisationen, sagte der in Wien geborene Managementvordenker beispielsweise, finden dann auf die Erfolgsspur zurück, wenn sie Querdenkern breiten Raum eröffnen und gezielt Erfindergeist stimulieren. Leider versanden Ideenreichtum und kreativer Spieltrieb oft in komplexen Strukturen, worüber Mitarbeiterbefragungen vielfach Zeugnis ablegen.

Zündende Ideen einbringen, kreativ sein, Wissen teilen: Das Potenzial von Mitarbeitern entfaltet sich nicht unter restriktiven Bedingungen, wie Drucker stets betonte. Um auf dem Weg zu einer von Wissen, Kreativität und Ideenreichtum geprägten Ökonomie voranzukommen, muss auch das Betriebsklima stimmen. Es sollte „menscheln“, würde Drucker, der im Jahr 2009 100 Jahre alt geworden wäre, womöglich heute sagen. Sonst können Unternehmen einfach nicht erfolgreich sein. Anders ausgedrückt lohnt jeder in die Unternehmenskultur investierte Euro, solange es sich nicht bloß um eine Imagekorrektur handelt, die heikle Sachverhalte geflissentlich ausklammert.

Harter Hund mit Einfühlungsvermögen

Wer Drucker ernst nimmt, muss vor allem die geläufigen Managementtheorien in Frage stellen. Lange wurden die Menschen in einer Organisation wie Probleme gesehen, die irgendwie gelöst werden müssen. Die Idee, dass man ihr Potenzial mobilisieren sollte, um erfolgreich zu sein, fand nur wenige Unterstützer. Inzwischen begreifen immer mehr Entscheidungsträger, dass sie ohne die Neugier, Kreativität und Phantasie sowie ohne die emotionale und soziale Intelligenz von Beschäftigten lediglich Stagnation in Kauf nehmen oder geradewegs auf den geschäftlichen Einbruch zusteuern.

Innovation kann nur gedeihen, wie es beim „11. Peter Drucker Forum“ Ende November in Wien so oft hieß (bit.ly/2Br7AMH), wo aufeinander Verlass ist. Wo Führung sich von militärisch inspiriertem „command and control“ verabschiedet und sich stattdessen auf Augenhöhe mit Beschäftigten einpendelt. Angesichts der umfassenden Digitalisierung, bei der menschliche Arbeit zusehends durch Maschinen, Computer und Software ersetzt wird, müssen Vorgesetzte sogar zu Empathie fähig sein. Auch darauf verständigte man sich in Wien, wo sich die weltweite Managementszene wie in jedem Jahr ein Stelldichein gab.

„Als Führungskraft“, sagte ein Teilnehmer, „kann man sein Zeitbudget verplempern oder es gewinnbringend einsetzen. Ertragreich ist vor allem der Austausch mit den Beschäftigten.“ Nun könnte man bezweifeln, ob solche Führungsansätze tatsächlich zur erfolgreichen Steuerung von Organisationen beitragen. Man könnte ebenso fragen, woher zu einfühlsamer Ansprache fähige Entscheidungsträger überhaupt kommen sollen, wenn bislang vor allem der ob seiner fachlichen Exzellenz geschätzte Kollege für Managementaufgaben vorgesehen worden ist.

Wohl am schwersten auszurotten ist das Selbstverständnis, das Führung lange Zeit seinen Stempel aufsetzte. Wem in Lehrbüchern nahegelegt wurde, allein Shareholder Value und Wachstum seien Primärziele der Unternehmensführung, dürfte sich eher zum „harten Hund“ berufen fühlen, der ergebnisorientiert führt, sich durchzusetzen vermag und durch Machtspielchen unverdrossen an der Aura des einsamen Wolfes feilt. So verschafft man sich Respekt.

Vor überzogenen Erwartungen sei also gewarnt: Es wird lange dauern, bis sich Führungskräfte vor allem als Coach, Kommunikator und – ja, das auch – durch echtes Einfühlungsvermögen auszeichnen werden. Dessen ungeachtet ist der Wandel längst überfällig.

Was bedeutet Führung für Ihre Unternehmenskultur? Welche Schwerpunkte setzen Sie in der Führung? Welche Qualitäten und Erfahrungen zeichnen Entscheidungsträger aus, die Sie rekrutieren? Wir freuen uns über Ihr Feedback.

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