Kultur

Jedes Unternehmen wünscht sich Mitarbeiter, die intrinsisch motiviert für den Arbeitgeber ihr Bestes geben. Doch unter welchen Bedingungen mobilisiert die Belegschaft dieses Potenzial? Wo liegt der Schlüssel für Leistungs- und Bindungsbereitschaft? Über eine Idee, die weite Kreise ziehen könnte.

Wer Bewerbern das Blaue vom Himmel verspricht, könnte schon bald sein blaues Wunder erleben. Neun von zehn Kandidaten, fand der Personaldienstleister Robert Half per Umfrage heraus, würden das Unternehmen bereits im ersten Monat wieder verlassen, wenn die  Aufgaben nicht den Vereinbarungen entsprechen und die Einarbeitung zu wünschen übrig lässt. Wo Arroganz und Gleichgültigkeit vorherrschen, bleibt ein rascher Abgang die einzig sinnvolle Alternative.

Wenn Unternehmen es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen

Schön-Wetter-Phrasen sind in der Außendarstellung offensichtlich weit verbreitet. Scheinbar sind lauter Laien am Werk: Denn wer unehrlich mit potenziellen Beschäftigten kommuniziert, wird empfindlich bestraft. So tragen die kaum zu verhehlenden Täuschungsabsichten nicht nur zu immens steigenden Recruitingkosten bei. Schließlich muss für eigentlich frisch besetzte Positionen erneut mühsam und zeitaufwändig qualifiziertes Personal gesucht werden. Wer es mit der Wahrheit nicht genau nimmt, sendet auch Schallwellen in den Arbeitsmarkt, die im Kosmos der sozialen Medien für anhaltendes Echo sorgen. Die Reputation, steht zu befürchten, dürfte auf Dauer arg ramponiert sein.

Freilich strahlen die nach außen gesandten Botschaften auch tief in die Unternehmen hinein. Werden Zielgruppen auf Karrierewebsites, in Vorstellungsgesprächen und Inseraten an der Nase herumgeführt, wird dies auch in eigenen Reihen nicht bloß achselzuckend zur Kenntnis genommen. Sagt der Arbeitgeber gegenüber Bewerbern nicht die Wahrheit, werden sich Mitarbeiter völlig zu Recht fragen, warum er sich dann gegenüber den Beschäftigten seriös und verantwortungsvoll erweisen sollte. Wer einmal lügt, sagt der Volksmund, dem glaubt man nicht. Wenn er auch die Wahrheit spricht.

Was identitätsstiftend wirkt

Die Lehre aus all dem liegt auf der Hand: Werte wie Vertrauen, Verlässlichkeit und Sinn in der Arbeit sind konjunkturunabhängig und lassen in der nachhaltigen Wirkung jede Modeerscheinung neben sich verblassen. Wer Organisationen stärken und ihr Potenzial gezielt entwickeln will, sollte sich daher solcher Werte besinnen, sie in der Personalpolitik verankern und in Positionen und Aufgaben zum Ausdruck bringen. Sind berufliche Tätigkeiten herausfordernd und in eine wertschätzende Arbeitskultur eingebettet, so eine Umfrage der Personalberatung Korn Ferry, wäre dies für die überwältigende Mehrheit von Bewerbern auch ein triftiger Bleibegrund.

Wo ein Wertekanon identitätsstiftend wirkt, erweisen sich Mitarbeiter im besten Sinne auch als Botschafter des Unternehmens. Mit zählbarem Resultat: Empfehlen Mitarbeiter beispielsweise neue Mitarbeiter aus dem eigenen sozialen Umfeld, senkt dieses Headhunting in eigener Sache nicht nur die Kosten der Personalwerbung. Es stärkt auch die Leistungs- und Bindungsbereitschaft von Beschäftigten. Welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um Beschäftigte zu motivieren, sich stärker als zuvor fürs Unternehmen zu verwenden und der beruflichen Heimstatt dauerhaft loyal verbunden zu sein, lässt sich beispielsweise durch eine Mitarbeiterbefragung herausfinden. Was kausal zu tieferer Bindung beiträgt, fördern solide statistische Methoden ebenso ans Tageslicht wie untrennbar miteinander verknüpfte Wirkungsstränge: So korreliert die Bereitschaft, Freunde und Bekannte als neue Mitarbeiter zu empfehlen, mit der Loyalität. Professionell umgesetzt sind Mitarbeiterbefragungen eine wahre Fundgrube für Unternehmen. Liefern sie doch plausible Hinweise zur Aktivierung des betriebswirtschaftlichen Leistungsvermögens.

Eine Idee, deren Blütezeit noch bevorsteht

Greifen wir noch einmal den Gedanken auf, Mitarbeiter quasi als Botschafter einzusetzen. So wie es der Kernthese des Employer Brandings entspricht: Die Arbeitgebermarke muss im Unternehmen verankert sein, nur so kann sie ihre Wirkung glaubwürdig nach außen entfalten. Doch es mehren sich Stimmen, die vor einer zu kurz gegriffenen Rolle des Mitarbeiters als „Markenbotschafter“ warnen. Als Sprachrohr der Markenbotschaft allein, lautet der Vorbehalt, würde der Mitarbeiter kaum sein volles Potenzial entfalten. Weit mehr Momentum erziele jedoch, wer Mitarbeitern ermöglicht, als Botschafter eines selbstgewählten Themas aufzutreten – eines Themas, in dem der Einzelne mehr Expertise und Leidenschaft hat als andere.

Um es möglichst genau voneinander abzugrenzen: Wird dem Mitarbeiter als „Botschafter der Arbeitgebermarke“ ein breiter Raum eröffnet, um über seine Tätigkeit und die Arbeitsbedingungen im Unternehmen zu sprechen, beispielsweise um neue Mitarbeiter zu gewinnen, übt er als „Themenbotschafter“ weit größeren Einfluss aus. Neben dem Marketingaspekt kommen weitere Gesichtspunkte zum Tragen. Indem Beschäftigte sich intern wie extern vernetzen, um Erkenntnisse und Ideen aus ihrem Spezialgebiet zu verbreiten und sich so einen Namen machen, fördern sie die Personalentwicklung sowie das Wissens- und Innovationsmanagement. Wie eine Werkstatt für neue Ideen.

Selbst Verantwortlichen, die mit den Grundlagen der Organisationsentwicklung kaum vertraut sind, müsste nun ein Licht aufgehen. Gewiss wird es nicht von heute auf morgen gelingen, dieses verborgene Potenzial zu aktivieren. Förderlich ist eine offene und partizipative Kultur, und es geht nicht ohne Führungskräfte, die bereit sind, sich selbstbewusst vom üblichen Hierarchiedenken zu verabschieden. Erste Erfahrungen in Unternehmen zeigen, dass viele potenzielle Themenbotschafter nur darauf warten, endlich ins Rampenlicht zu treten.

Haben Sie bereits in Mitarbeiterempfehlungsprogramme investiert? Welche Bilanz können Sie ziehen? Teilen Sie die Einschätzung, dass Mitarbeiter nicht allein als Markenbotschafter, sondern auch als Themenbotschafter in Erscheinung treten sollten? Wir freuen uns über Ihr Feedback.

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