Wer engagierte, bindungswillige Mitarbeiter bei der Entfaltung ihrer Talente unterstützt, hat im Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte die Nase vorn. Doch in der Personalentwicklung werden oft die falschen Weichen gestellt.
In Zeiten des Fachkräftemangels sind jene Firmen erfolgreich, die den Aspekt der Personalentwicklung glaubwürdig hervorheben. Wer zu uns kommt, heißt es, kann sich entfalten und an spannenden Aufgaben wachsen. Statt mit inhaltsleeren Floskeln auf Bewerberfang zu gehen, lassen Unternehmen Mitarbeiter in sozialen Medien schildern, wie schnell sie den Karriereturbo zünden konnten. Dafür ernten sie im Netz viel positives Feedback.
Vorgesetzte auf sich allein gestellt
Mitarbeiterbefragungen legen jedoch oft nahe, dass es vielfach an vorteilhaften Bedingungen mangelt. Die Personalentwicklung wird offensichtlich wie ein Stiefkind behandelt. Man meint, ihr fehle es an strategischer Relevanz und sie sei nur ein Thema unter vielen. Führungskräfte investieren folglich kaum Zeit, um die Potenziale ihrer Mitarbeiter zu fördern. Selbst Personalentwickler beschränken sich dabei auf das Allernötigste (bit.ly/2jQJB0h). Bedarfsorientiert Leistungsträger zu fördern, die künftig für Schlüsselpositionen benötigt werden – diese Chance wird leichtfertig vertan.
Ein wichtiges Erkennungszeichen solcher Defizite ist die latente Unzufriedenheit, die Mitarbeiter in Befragungen über ihre Leistungsbeurteilung zum Ausdruck bringen. Kritisiert wird nicht allein, dass der Vorgesetzte sich kaum Zeit nimmt für persönliche Gespräche. Auch die Frage der Fairness, also einer gerechten und möglichst objektiven Beurteilung im Vergleich zu anderen Mitarbeitern, rückt dabei in den Fokus.
Dabei müssen sich Vorgesetzte regelmäßig mit der Leistungsbeurteilung von Mitarbeitern befassen: zur Vorbereitung von Mitarbeitergesprächen etwa, in denen Ziele für das folgende Jahr verabredet werden; bei der Erstellung von Zeugnissen, die auch eine Leistungsbeurteilung enthalten müssen; aber auch zur Berechnung von Boni und Gehaltszuschlägen, die durch entsprechende Leistung zu rechtfertigen sind. Soll jemand auf eine andere Stelle versetzt werden, müssen Führungskräfte ebenfalls die Leistung beurteilen.
Alarmierender Befund
Forscher verweisen seit Jahren darauf, dass die Leistungsbeurteilung von Mitarbeitern voller Ungereimtheiten ist (bit.ly/2J6DwJG). So weichen das Selbstbild von Mitarbeitern und die Beurteilung ihrer Führungskräfte in beträchtlichem Maße voneinander ab. Auch wenn zwei Führungskräfte ein und denselben Mitarbeiter beurteilen, stimmen sie höchstens zu einem Fünftel überein. Nicht anders lautet der Befund, zieht man Referenzen zu Rate. Dabei handelt es um Leistungsbewertungen, mit denen Führungskräfte die Auswahl von Mitarbeitern für höher dotierte Aufgaben begründen. Die „Prognosegüte“ solcher Empfehlungen liegt auf einem erschreckend niedrigen Niveau, fanden zahlreiche Untersuchungen heraus.
Dass Führungskräfte so oft falsch liegen, hat mehrere Ursachen. Einerseits sind sie nicht permanent in der Nähe des Mitarbeiters, um ihn genau beobachten zu können. Was sie erfahren, ist viel zu wenig, um ihn gerecht zu beurteilen. Zweitens arbeiten viele Menschen in Teams, wobei schwer zu ermessen ist, wer auf welche Weise zur Gesamtleistung beiträgt. Drittens spielen systematische Fehler in der Beurteilung eine Rolle, wie zum Beispiel der sogenannte Halo-Effekt. Er besagt, dass eine ganz besondere Eigenschaft die Leistung eines Mitarbeiters einem Heiligenschein gleich überstrahlt. Das verhindert einen möglichst differenzierten Blick auf Eigenschaften und Leistungen von Mitarbeitern. Nur weil jemand besonders intelligent erscheint, ist er nicht auch besonders teamfähig oder innovativ.
Für weitere Unschärfe ist auch der Ähnlichkeitseffekt verantwortlich. Wer mir ähnlich ist, so die Führungskraft unbewusst, wer also dieselbe Hochschule besucht hat oder die gleichen Werte teilt, ist auch besonders gut. Ist der Mitarbeiter einem womöglich ans Herz gewachsen, droht der Milde-Effekt. Er führt dazu, negative Fakten bei der Leistungsbeurteilung in ein positives Licht zu setzen. Nicht zuletzt spielen etliche Stereotypen in die Bewertung hinein: Vollzeitkräfte sind demnach leistungsfähiger als Teilzeitkräfte, Frauen grundsätzlich empathischer.
Damit nicht genug: Um sie zu protegieren, bewerten Führungskräfte bestimmte Mitarbeiter besser als sie tatsächlich sind. Auch um sie loszuwerden: So steigt die Chance, dass sie von einem anderen Bereich abgeworben werden. Hinter absichtlich negativer Beurteilung hingegen steckt oft das Motiv des Mobbings. Irgendwann, so die Hoffnung, nimmt der Mitarbeiter Reißaus und wechselt zu einer anderen Firma. Als wäre dies alles nicht schon Hinweis genug auf die oft fragwürdige Qualität von Leistungsbeurteilungen, kommt erschwerend noch die weit verbreitete Anwendung von völlig undifferenzierten Bewertungsskalen hinzu. Arbeitsqualität beispielsweise oder Fachkompetenz werden als Parameter nicht genau präzisiert.
Mitarbeiterbefragungen ermitteln Handlungsbedarf
Wo all dies unbemerkt Entscheidungen beeinflusst, wird sich schnell Unmut regen. Das Urteil von Vorgesetzten gleicht einer Lotterie. Welches Unternehmen kann sich erlauben, diesen Eindruck zu erwecken? Mitarbeiterbefragungen können dazu vielfältige Daten ans Tageslicht fördern und Handlungsbedarf aufzeigen – zum Beispiel mehr in die Personalentwicklung zu investieren, dort die richtigen Kompetenzen zu versammeln und professionelle Methoden einzusetzen (bit.ly/2NAn71R). Die Leistungsträger von morgen werden es solchen Arbeitgebern danken.
Welche Priorität räumen Sie der Personalentwicklung ein? Was tun Sie, um die Leistung von Mitarbeitern objektivierbar zu gestalten? Welche Erkenntnisse haben Sie darüber in Mitarbeiterbefragungen gewonnen? Wir freuen uns über Ihr Feedback.