Strategie

In der Beziehung zwischen Management und Beschäftigten hakt es hinten und vorn. Ausgeprägte Arroganz trifft, wie Experten beobachten, auf weit verbreitete Unlust und Verweigerungshaltung. Mitarbeiterbefragungen eröffnen Wege, dieser oft systemisch bedingten Konfrontation ein Ende zu setzen.

Steht der Herbst vor der Tür, lesen die Auguren dem geneigten Publikum gnadenlos die Leviten. Was sich in den Führungsriegen übers Jahr an Optimismus angestaut hat, fällt jäh wie ein Kartenhaus in sich zusammen. War denn alle Mühe vergebens? Bleiben jegliche Ansätze zur Ermunterung von Mitarbeitern wie New Work, Zeitsouveränität und Home Office tatsächlich unter den Erwartungen?

Alarmierende Erkenntnisse

Offensichtlich schon. Beginnen wir mit Gallup. Turnusgemäß präsentierte das Institut seine neuesten Zahlen über die Motivationslage in der arbeitenden Bevölkerung. Das wichtigste Ergebnis der Umfrage unter rund 1000 abhängig Beschäftigten vorweg: Der Frust ist scheinbar wie in Stein gemeißelt. Wie aus dem „Engagement Index“, der laut Gallup „renommiertesten Studie zur Arbeitsplatzqualität“ (bit.ly/2N6fHal), hervorgeht, hat sich die Stimmung in den Belegschaften zwar durchaus aufgehellt. Man fühlt sich überwiegend fair entlohnt und beurteilt die wirtschaftliche Zukunft des Arbeitgebers grundsätzlich positiv. Doch lediglich 16 Prozent der Beschäftigten sind bereit, sich aus eigenen Stücken für die Ziele des Unternehmens einzusetzen. Und es kommt noch schlimmer: Während es gut zwei Drittel beim Dienst nach Vorschrift bewenden lassen, hat bereits jeder sechste Beschäftigte die innere Kündigung vollzogen.

Wer hinter den Ergebnissen bloß aufmerksamkeitsheischende Kaffeesatzleserei vermutet, sieht sich getäuscht. Was Gallup in seiner seit 2001 jährlich erhobenen Studie zur Mitarbeiterbindung bilanziert, spiegelt sich auch in anderen Untersuchungen wider, zum Beispiel im aktuellen Fehlzeitenreport der AOK (bit.ly/2p5D45C). Beschäftigte, die ihre Arbeit als sinnlos erachten, sind demnach häufiger krank. Die Autoren wollten es genau wissen und verglichen zwei Gruppen: diejenigen, die sich mit ihrem Job identifizieren und gern zur Arbeit gehen, mit anderen, die allenfalls Dienst nach Vorschrift verrichten. Das erschreckende Resultat: Wer in seiner Arbeit keinerlei Sinn erkennt, ist doppelt so oft krank wie engagierte Kollegen. Da hilft auch kein kräftiger Gehaltsaufschlag.

Womit die Beteiligten überfordert sind

Nur das Nötigste tun, den Verlautbarungen aus der Chefetage keinen Glauben schenken, sich verhältnismäßig oft krankschreiben lassen – ein solches Belegschaftsprofil führt bei vielen Führungskräften unweigerlich zu Schnappatmung. Manche Vorgesetzte werden sich reflexartig bestätigt sehen: Mit solchen Leuten ist einfach kein Staat zu machen. Doch spricht man so über das vermeintlich „wichtigste Kapital“? Steht der Mitarbeiter nicht bei gefühlt jedem dritten Betrieb nach eigener Diktion „im Mittelpunkt“?

Wunsch und Wirklichkeit, so der Befund, stimmen nach aktueller Datenlage nicht überein. Hinzu kommt der sogenannte Talking-Action-Gap. Mit anderen Worten: Es wird zwar viel angekündigt, doch kaum umgesetzt. Ein Change-Projekt folgt auf das andere und fordert den Beteiligten energieraubende Anpassungsbereitschaft ab. Bleiben jedoch Ziele im vagen und Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück, schwindet auch zusehends die Bereitschaft, beim nächsten Mal noch mitzuziehen.

Erschwerend kommt hinzu: Führungskräfte sind in Transformationsphasen heillos überfordert und beschränken sich deshalb auf das Nötigste. Weder begeistern sie ihre Mitarbeiter für erstrebenswerte Ziele, noch sind sie offen für Kritik und Verbesserungsvorschläge. Statt ihnen das Gefühl zu vermitteln, ein wichtiger Teil des Unternehmens zu sein, beschränken sich Vorgesetzte auf das Managen von Kostenfaktoren. So erlahmt unter Beschäftigten der Antrieb, sich zu engagieren und gute Arbeit zu leisten. Enttäuscht zieht man sich hier wie dort in Gräben zurück und hat bloß noch Missbilligung füreinander übrig. Prägen zudem tiefgestaffelte Hierarchien und daraus folgende Abhängigkeiten das betriebliche Geschehen, ist die Situation erst recht angespannt.

Zeit für entschlossene Intervention

Einer von Misstrauen dominierten Kultur rückt man am besten durch entschlossene Intervention zu Leibe, vorzugsweise von außen. Unternehmen, die sich nicht scheuen, ihre Probleme klar zu benennen, sollten sich unbedingt starke Partner suchen, die wissenschaftlich fundiert die Situation analysieren und aus unabhängiger Position überzeugende Lösungsvorschläge entwickeln. Als kulturdiagnostisches Instrument bietet sich hierzu die Mitarbeiterbefragung an.

Zahllose Beispiele zeigen, wie Unternehmen aus heilloser Verstrickung herausfinden und einen neuen Kurs einschlagen können. Denn wie aus aktueller Forschung hervorgeht (bit.ly/2p76zUp), ist der Sinngehalt von Arbeit personalpolitisch gestaltbar. Wer Mitarbeitern zum Beispiel Angebote zur individuellen Entwicklung unterbreitet und den sozialen Austausch mit Kollegen fördert, öffnet die Schleusen für mehr Engagement, Produktivität und Bindungsbereitschaft.

Wie definieren Sie sinnvolle Arbeit? Was tun Sie, damit sich Mitarbeiter mit ihren Aufgaben und den übergeordneten Zielen identifizieren? Welche Stellschrauben eignen sich aus Ihrer Sicht ganz besonders? Wir freuen uns über Ihr Feedback.

 

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